Der Begriff des „Ankommens“ kann auf vielerlei Weise interpretiert und in verschiedenste Zusammenhänge gesetzt werden. Um individuelle Umstände und Lebensgeschichten zu verstehen, muss man mit den Menschen sprechen, die sie erlebt haben. Gelegenheit dazu bot uns eine Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum Moderner Orient in Berlin. Im Mittelpunkt des Projekts Aller Anfang ist…? steht die Idee, sozialwissenschaftliche Forschung für Jugendliche erlebbar und persönlich zu machen. Es soll zeigen, dass Experimente und Forschung nicht nur Teil von MINT-Fächern sind, sondern auch in Fächern wie Politikwissenschaft, Sozialkunde, Geschichte oder Ethik eingesetzt werden können.
Nach einem einführenden Workshop in die Methodik des Zeitzeug*innen-Interviews haben wir uns interessante Gesprächspartner*innen gesucht. In unserem Politik-Leistungskurs interessierte uns vor allem der Aspekt des Ankommens in der Demokratie. In unseren Interviews sind wir mit sehr unterschiedlichen Personen zusammengekommen. Wir sprachen mit Politiker*innen, Unternehmer*innen, Freundinnen und Freunden, Familienmitgliedern und Bekannten. Gemeinsam haben sie Eines – eine ganz besondere und spannende Lebensgeschichte.
Wir erfuhren zum Beispiel, was es heißt, aus einer Diktatur in der Demokratie Fuß zu fassen. So reichte beispielsweise die Teilnahme eines Familienmitgliedes an Wahlen, um im Heimatland Verfolgungen ausgesetzt zu sein. In Deutschland hingegen gab es dann keine Schlangen vorm Wahllokal, keine Repressionen, keine Manipulationen. Ein Privileg.
Wir haben aber auch erfahren, wie groß die Hürden sind, wenn man die Sprache nicht versteht und welche Probleme es bereitet, wenn man nichts mehr hat, außer einen Stapel von Papieren und ein paar Kleidungsstücken.
Wir hörten von Erfolgsgeschichten, wie die der Präsidentin des Verbandes Deutscher Unternehmerinnen, die sich nach ihrer Kindheit und Jugend im Iran als Geschäftsfrau in Deutschland etablieren konnte und sich nun politisch als überzeugte Demokratin engagiert.
Wir sprachen mit der erste schwarzen Frau, die als Abgeordnete in den Niedersächsischen Landtag eingezogen ist über ihren Wunsch nach Vielfalt, Anerkennung und Chancengerechtigkeit. Wir mussten auch erfahren, dass Rassismus auch heute noch eine große Rolle spielt, dies aber eine Triebfeder sein kann, um Dinge zum Positiven zu verändern.
Aus ganz persönlicher Perspektive näherten wir uns einem Kapitel der deutschen Geschichte und uns wurde noch einmal bewusster, dass die Demokratie auch in Deutschland nicht unangreifbar ist. Wir erfuhren aber auch, dass das politische System nicht immer direkt mit der Einschätzung der eigenen Lebenszufriedenheit verbunden sein muss.
In entspannter Atmosphäre haben wir uns einfach einmal Zeit genommen zuzuhören und das lohnte sich, denn so vielfältig wie unsere Gesprächspartner*innen waren auch unsere Erkenntnisse. Diese haben wir ins Abschlusstexten festgehalten, die auf der → Webseite des Projekts nachzulesen sind. Zu diesem Thema wurden mehr Texte verfasst, als hier veröffentlicht. Da das Thema für einige Gesprächspartner:innen sehr privat war, baten sie darum, ihre Erfahrungen auch nicht in anonymisierter Form öffentlich zu teilen.
Erik Breves