Sprachbildungskonzept für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler
„Vielfalt bewegt – Integration gestalten“
1. Sprachbildung von A(ufnahme) bis B(erufseinstiegsbegleitung)
Bezugserlass: Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache. RdErl. d. MK v. 1.7.2014
Claudia Schanz: Bildungspolitische Hintergründe. Ziele und Schwerpunktsetzungen. SVBL 9/2014
Nichtamtlicher Teil.
Bei der konzeptionellen Planung und praktischen Umsetzung lassen wir uns gleichermaßen von
- zweitsprachdidaktischen
- fachinhaltlichen und
- pädagogischen
Aspekten leiten.
Daraus ergibt sich ein differenzierter Maßnahmenkatalog unterschiedlichster additiver als auch integrativer Förder- und Unterstützungsmaßnahmen, die innerhalb der Schulstruktur miteinander verzahnt sind.
2.1. Sprachlernklassen (SLK) (Erl. 3.2.)
Die Leonore-Goldschmidt-Schule hat sich für das Modell der Einrichtung von Sprachlernklassen entschieden.
Unsere Sprachlernklassen werden von jeweils zwei (möglichst mit DaZ-Qualifikation) Lehrkräften geleitet. Entsprechend des Gesamtschulleitbildes sind Lehrkräfte möglichst unterschiedlicher Lehrämter einzusetzen.
Nach einer Eingewöhnungs- und Beobachtungsphase werden Bildungsvoraussetzungen ermittelt, unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten Bildungsziele formuliert, Fördermaßnahmen initiiert und so früh wie möglich eine Zuordnung in die Regelklasse vorgenommen. Schülerinnen und Schüler, die nicht alphabetisiert sind, bleiben ggfs. zwei Jahre in der SLK. Sie nehmen an einem Alphabetisierungskurs in Deutsch und Mathematik teil.
2.1.1. Sprache lernen
Der systematische Sprachunterricht (DaZ) erfolgt auf der Grundlage des „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen“. Ziel ist es, am Ende des einjährigen Besuchs der SLK das Sprachniveau A2 zu erreichen und eine Grundlage für die erfolgreiche Mitarbeit in der Regelklasse zu schaffen. Nur in Ausnahmefällen kann sich der Zeitraum auf zwei Jahre erstrecken, z.B. wenn Schülerinnen oder Schüler noch nicht ausreichend alphabetisiert sind.
Aufgrund sehr heterogener Bildungs- und Sprachvoraussetzungen ist von großen Lernunterschieden auszugehen. Dazu kommt ggfs. eine hohe Fluktuation durch Zu- und Wegzug.
All dies macht eine aufwendige methodische Vorbereitung und eine ausreichende personelle Besetzung notwendig, um den Unterricht an den jeweiligen Lernvoraussetzungen anzuknüpfen. Neben Methoden der inneren Differenzierung sind auch differenzierende Angebote in Kleingruppen oder im Einzelunterricht notwendig, damit gezielt sprachliche Defizite aufgearbeitet werden können.
Spracherwerb vollzieht sich darüber hinaus im handelnden und kommunikativen Kontext. Über den systematischen Sprachkurs hinaus beinhaltet die Stundentafel der SLK auch Fächer wie Kunst, Sport, Musik, Mathematik, NW, HW und Gesellschaftslehre.
Sprachlich ist hier eine Erweiterung (schulfach-)relevanten Wortschatzes und kommunikativer Kompetenzen anzustreben.
2.1.2. Fachinhalte
Nach einer i.d.R. dreimonatigen Eingewöhnungs- und Beobachtungsphase wird eine Zuordnung zu einer Regelklasse vorgenommen. Auf der Grundlage der Lernentwicklung, Bildungsbiografie und sinnvoller Anschlussfähigkeit nehmen die Schülerinnen und Schüler am Regelunterricht in einigen Fächern teil. Dies sind zunächst meist Mathematik, Englisch und handwerkliche Fächer. Auch Sport und Kunst bieten sich an. Später kommen NW und zum Schluss Deutsch und Gesellschaftslehre hinzu. Jedoch ist darauf zu achten, dass ausreichender Sprachunterricht in der Sprachlernklasse erfolgt.
Die Lehrkräfte der SLK sowie die Fachlehrkräfte kooperieren bei der Einschätzung der Lernentwicklung und Zielperspektive. Dabei werden ggfs. Lerndefizite formuliert, die durch geeignete Fördermaßnahmen auszugleichen sind. Je nach Jahrgangsstufe stehen Angebote aus den Bereichen
- Sprachförderung (QLS, QLS+)
- DaZ-Gesellschaftskunde-Kurs (WPK)
- Mathe-Förder-Kurs
- Berufseinstiegsprogramm oder KoPro
- individuelle Nachhilfe über das BuT-Programm zur Verfügung.
Die Leistungen der neu zugewanderten Schülerinnen und Schüler müssen in den ersten zwei Jahren nach Ankunft in Deutschland noch nicht benotet werden. Bei ausreichender fachlicher Grundlage können sie jedoch benotet werden. Aus pädagogischen Gründen jedoch bezieht sich dies auf Noten, die befriedigend und besser sind.
Ziel ist der höchstmögliche Schulabschluss. Die Vielzahl an Unterstützungsangeboten wird von der Sprachbildungkoordination gemeinsam mit der didaktischen Leitung koordiniert.
2.1.3. Pädagogische Grundsätze
Alle Schülerinnen und Schüler der Sprachlernklassen haben erhebliche Einschnitte bzw. Erschütterungen erlebt.
Sie sind aus ihren bisherigen Lebens- und Alltagsbezügen herausgenommen, meist ohne eigene Einflussnahme. Einige von ihnen haben erhebliche seelische und körperliche Gewalt erlebt. Manche mussten unter großen Entbehrungen und Unterdrückung in ihren Heimatländern leben. Manche mussten wegen Krieg oder Vertreibung auf z.T. sehr gefährlichen Fluchtrouten ihre Heimatländer verlassen. Wir haben es oft mit traumatisierten Schülerinnen und Schülern zu tun.
Daher ist das Herstellen angemessener pädagogischer Rahmenbedingungen neben den fachlichen Aspekten für uns von großer Bedeutung. Wir bieten den SuS verlässliche Strukturen und einen schulischen Rahmen, der in vieler Hinsicht „sicher“ ist:
- klare Raumzuordnung
- verbindliche Stundentafel
- klare Vertretungsregelung
- wertschätzendes Lehrerteam
- vorausschauende, transparente Planungen insbesondere der Übergänge
- Vernetzung innerhalb des Teams (klare Absprachen)
- Vernetzung im pädagogischen Kontext (Eltern, Vormünder, Jugendamt, etc.)
- Einbindung in das Schulleben
- Vertrautmachen mit der neuen Umgebung, der hiesigen Abläufe, der Stadt, des Landes…
- Beratung durch Traumapädagogen.
Um den besonderen, auch emotionalen, Herausforderungen gerecht zu werden und Raum für Fall-Gespräche zu bieten, finden regelmäßige Team-Supervisionen statt.
2.1.4. Lehrkräfte
Verantwortlich für die Sprachlernklasse ist das KlassenlehrerInnen-Team. Neben den üblichen Tätigkeiten einer Klassenlehrkraft dokumentieren sie in Zusammenarbeit mit den Lehrkräften der Sprachlern- und den Stammklassen regelmäßig die Lernentwicklung der Schülerinnen und Schüler.
Außerdem führen sie in Absprache mit der SekI-Leitung die Erstaufnahmegespräche, um Lernvoraussetzungen zu ermitteln.
Das KlassenlehrerInnen-Team führt Elterngespräche und führt gemeinsam mit den Klassenlehrkräften Übergangsgespräche beim Wechsel in die Stammklasse. Um Informationsverluste zu vermeiden und die weitere Integration in die Regelklasse zu begleiten, hat die Leonore-Goldschmidt-Schule seit Dezember 2017 ein Übergangsmanagement installiert. In der Wechselphase finden regelmäßige Treffen mit einem unserer Sozialpädagogen statt, der Ansprechpartner für abgebende und annehmende KlassenlehrerInnen-Teams und für die Schülerinnen und Schüler ist.
2.1.5. Alphabetisierung
Die LeoGos bietet für nicht alphabetisierte Schülerinnen und Schüler innerhalb der SLK-Stundentafel einen 10stündigen Alphabetisierungskurs an. Dieser wird von Fachkräften geleitet und führt systematisch zur Lese-, Schreib- und Rechenkompetenz.
Da die Teilnehmer nach und nach in die altersgemäßen Klassen übergehen, ist eine Fortführung des Kurses über die SLK hinaus unbedingt wünschenswert.
2.1.6. Individuelle Lernentwicklung und Leistungsbeurteilung
Die Lehrkräfte der SLK nehmen in regelmäßig stattfindenden Teambesprechungen eine Dokumentation der individuellen Lernentwicklung vor. Als Grundlage dienen Unterrichtsbeobachtungen und Kompetenzüberprüfungen (Grammatik, Vokabeln, Mathe).
Am Ende des Halbjahres erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Lernentwicklungsbericht.
Bei Teilnahme im Stammunterricht erhalten sie ein Zeugnis von den KL der Stammklasse.
2.1.7. Lehrwerke
Magnet Neu A1 (Kursbuch und Arbeitsbuch), Klett 2015
Magnet Neu A2 (Kursbuch und Arbeitsbuch), Klett 2015
Hamburger ABC, Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft Karolinenviertel Hamburg, 2001
Alphamar (Kursbuch und Arbeitsbuch), Klett 2013
2.2. Weiterführender Sprachförderunterricht
Im Anschluss an den Besuch der SLK haben alle Schülerinnen und Schüler Anspruch auf weiterführende Sprachfördermaßnahmen. In allen Jahrgängen, incl. Oberstufe sind entsprechende Kurse einzurichten. Innerhalb der konzeptionellen Weiterentwicklung hat sich herausgestellt, dass die Förderkurse organisatorisch besser umzusetzen sind, wenn sie an bestehende Schulstrukturen angedockt werden. So haben wir die DaZ-Kurse auf die Wahlpflichtbänder gelegt. In jedem Jahrgang steht so ein DaZ-WP zur Verfügung. In Jahrgang 9 und 10 jeweils zwei.
2.2.1. Wahlpflichtkurse – DaZ/ Anschlussförderung (Erl. 3.3/ 3.4.)
In vierstündigen WPK – Kursen wird einerseits der systematische Sprachkurs weitergeführt und andererseits an die Unterrichtsinhalte angeknüpft. Sprachliches Verständnis von Fachtermini, Operatoren und kontextbezogenes Textverständnis werden hier thematisiert. In höheren Jahrgängen ist die Abschlussrelevanz der Inhalte in den Blick zu nehmen.
Die Kursleitungen der WPKurse stimmen sich inhaltlich mit den jeweiligen Fachlehrkräften ab.
Die Teilnahme am WPK-DaZ ist verpflichtend. Eine Beurteilung erfolgt wie bei WP-Kursen üblich.
2.2.2. Übergangsmanagement
Damit der Wechsel von der SLK in die Stammklasse möglichst reibungslos gelingt, haben wir ein Übergangsmanagement installiert. Mithilfe eines Übergabebogens und mehrfach stattfindender Übergabegespräche, an denen beteiligte Lehrkräfte, Eltern, ein Sozialpädogoge und die SchülerIn teilnehmen, sorgen wir für eine transparente und kontinuierliche Sprach-Förderplanung.
2.3. Sprachförderunterricht QLS+ (Erl. 3.4./3.5.)
Schülerinnen und Schüler, die länger als zwei Jahre in Deutschland sind und noch nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen, können am QLS+ Sprachförderprogramm teilnehmen. Hier steht der individuelle, fachorientierte Sprachunterricht im Vordergrund.
2.4. Berufseinstiegsbegleitung
Mit den älteren Schülerinnen und Schüler werden in enger Kooperation mit Eltern, Klassenleitungen, SLK-Leitungen und Berufseinstiegsbegleitern individuelle Perspektivplanungen vorgenommen. Auf der Grundlage von Lernvoraussetzungen, Sprachkenntnissen und Leistungsfähigkeit werden schulische bzw. berufliche Möglichkeiten erörtert und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Die Teilnahme der SLK-Schüler an den Potentialanalysen ist sinnvoll. Beratend können nach Bedarf Sprachbildungskoordination (SbK), Berebs, Pro Beruf, Agentur für Arbeit hinzugezogen werden.
Aktuell kooperiert die Leonore Goldschmidt-Schule mit der Werkstattschule Hannover. Ziel des KoProjektes ist es, älteren Schülerinnen und Schülern ohne Chance auf einen Abschluss den Zugang zu Lehre und ggfs. Schulabschluss zu erleichtern.
3. Netzwerke
Wir ergänzen unsere schulinternen Lehr- und Bildungsangebote durch Kooperationen mit verschiedenen Bildungsanbietern und Trägern:
- Leibniz Universität Hannover / Deutsches Seminar: Hier erhalten wir regelmäßig fachkundige Unterstützung von Studierenden des DaZ-Praxisseminars.
- Hochschule für Musik und Theater und Medien Hannover: Regelmäßig und im Stundenplan integriert findet Musikunterricht in den SLKs statt.
- Musikschule Hannover und Stadt Hannover: Über AGs bietet ein Coach Impro-Dance an.
- Leibniz Universität Hannover / Darstellendes Spiel: Regelmäßig und im Stundenplan integriert findet Unterricht im Darstellenden Spiel in den SLKs statt.
- Ev. Akademie Loccum: Organisation und Mitwirkung an interkulturellen Kinder- und Familienveranstaltungen.
- Zusammenarbeit mit vielen ehrenamtlichen Helfern und Honorarkräften unterschiedlicher Migrationsgeschichten.
- Regelmäßige Supervision des Sprachlernklassenteams durch einen Traumaspezialisten.
Kontakt: Claudia Bax | Koordinatorin Sprachbildung/DaZ | claudia.bax@leogos.de